Reality Checks Teil II:

Ein Hormonwert, der alles verändert hat

Als der Termin zur Schwangerschaftsfeststellung endlich gekommen war, saß ich im Wartezimmer und plötzlich überkam mich dieses schreckliche Gefühl, dass die Ärztin mir gleich sagen würde, dass ich doch nicht schwanger war. Ich musste ziemlich lange warten und kramte währenddessen ständig nochmal den Test aus meiner Tasche um mich jedes Mal wieder neu zu vergewissern, dass die zweite Linie immer noch da war und ich sie mir nicht eingebildet hatte. 

Als ich endlich ins Untersuchungszimmer gerufen wurde, meine Ärztin mich herzlich anlächelte und sagte „Na dann schauen wir mal wo wir stehen, Frau Sauber :-) “ fiel plötzlich alle Anspannung von mir ab. 

Ich machte mich in der kleinen Kabine rasch frei, hopste mit drei, vier schnellen Sätzen Richtung Untersuchungsstuhl und krabbelte rauf. Doch meine Erleichterung hielt nicht lang an, denn ich sah es sofort in ihrem Blick...
Da war keine Schwangerschaft festzustellen. „Es tut mir leid, Frau Sauber, aber Sie sind nicht schwanger. So wie ich das sehe hatten Sie nicht mal einen Eisprung.“ 

Ich konnte es nicht fassen. Mein Herz fing an zu rasen und ich hatte diesen fiesen Piepton im Ohr. „Wie meinen Sie das? Ich hab doch einen Schwangerschaftstest gemacht. Der war positiv. Hier, schauen Sie doch.“ 
Ich hielt ihr meinen Test vor die Nase, doch sie schaute ihn kaum an. „Ach wissen Sie, Frau Sauber…wie oft die Frauen mit diesem Test hier vor mir stehen und einen Termin zur Schwangerschaftsfeststellung haben…und dann sind sie gar nicht schwanger. Dieses Ding müsste vom Markt genommen werden.“

Das war das letzte was ich an diesem Tag in der Praxis wahrnahm. Ich erinnere mich auch nicht mehr an den Heimweg. Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann zu Hause war und Aron von dem Termin erzählte. Er war erleichtert und enttäuscht zugleich.  Aber am meisten war er irritiert. 

Dann wieder eine Erinnerungslücke. Das nächste woran ich mich erinnere ist wie ich bei meinen Eltern am Küchentisch saß und meiner Mama davon erzählte. Meine Mama war eine unbeschreiblich lebenserfahrene und weise Frau. Sie hatte ein unglaubliches Gespür für Menschen, Tiere, Dinge und Geschehnisse. Sie hatte den berühmten sechsten Sinn. 

„Schätzlein“, sagte sie „ich will dir keine Angst machen, aber kann es sein, dass du frühzeitig in die Wechseljahre gekommen bist?“

Zu sagen ich wäre überrascht gewesen über diese Frage würde nicht ansatzweise beschreiben, was ich in diesem Moment empfunden habe. „Wie kommst du denn auf DAS schmale Brett?!?“ platzte ich heraus. 

„Ich weiß nicht. Ist nur so ein Bauchgefühl“ sagte sie so verständnisvoll wie es ihr möglich war und ich nahm mir vor meine Ärztin beim nächsten Termin darauf anzusprechen – zumal sie bislang immer noch keine Erklärung dafür gefunden hatte, warum es mit meinen Eisprüngen einfach nicht hinhauen wollte und warum ich immer häufiger diese Fieberschübe bekam, ohne dass ich krank war. 

Als hätte sie gerade eine Offenbarung gehabt starrte meine Ärztin einen Moment lang ins Leere und sagte schließlich „Ah ja. Das könnten wir echt mal testen.“ 
 
„Na super“, dachte ich bei mir. „Jetzt muss man den Ärzten schon sagen, was sie untersuchen sollen“. 

Sie drückte mir einen Zettel in die Hand auf den Sie die Buchstaben AMH gekritzelt hatte und schickte mich damit zum Empfang. 

„Was bitte ist denn jetzt schon wieder AMH?!?“ rätselte ich als ich das Zimmer verließ. 

Die Arzthelferin nahm mir rasch ein Röhrchen Blut ab und sagte mir, dass das Ergebnis in etwa fünf Tagen vorliegen würde. Die Frau Doktor würde mich dann anrufen und es mir mitteilen. 
Als ich nach einer Woche noch immer nichts von meiner Ärztin gehört hatte, rief ich selber in der Praxis an. „Ah ja, Frau Sauber. Das Ergebnis ist gestern gekommen. Es liegt auf ihrem Schreibtisch.“ 

„Ist ja super“, sagte ich „dann schauen Sie doch bitte schnell in meine Akte und teilen es mir einfach mit, wenn sie jetzt keine Zeit hat mit mir zu sprechen. Ich such mir die Bedeutung dann im Internet raus.“

„Oh, tut mir leid. Das kann ich leider nicht tun. Sie müssen warten, bis die Frau Doktor sie anruft“ säuselte sie zuckersüß.
„Wuuusaaaa“, dachte ich bei mir, legte auf und übte mich für die nächsten 5 Tage inklusive Wochenende in dem, was ich am wenigsten gut kann: warten. 

Als ich dienstags noch immer keinen Anruf aus der Praxis bekommen hatte, nahm ich die Dinge selber in die Hand. Ich fuhr zu meiner Ärztin - wild entschlossen mir eine neue Praxis zu suchen - verlangte eine Kopie des Befundes und meiner restlichen Patientenakte und machte mich anschließend mit den Unterlagen wieder auf den Weg nach Hause. 

Zu Hause angekommen nahm ich mir den Befund zur Brust und da stand es schwarz auf weiß:  AMH 0,35.

Da ich keine Ahnung hatte was das zu bedeuten hatte rief ich meine Freundin an. Sie ist Tierärztin und war auf Anhieb die Person in meinem direkten Umfeld mit der größten medizinischen Bildung. Sie sagte mir, dass sie das selber auch erst mal recherchieren müsste, da dieser Wert in der Veterinärmedizin überhaupt keine Rolle spielt und sie daher noch nie Berührung mit ihm gehabt hatte. 

Nach etwa 15 Minuten rief sie mich nochmal an und sagte: „Ich will dir jetzt keine Angst machen, aber so wie ich das verstehe sieht es aus als könntest du nicht auf natürlichem Weg schwanger werden.“ 

Kurz darauf rief mich auch meine Ärztin an und bestätigte was mir zuvor meine Freundin schon mitgeteilt hatte: „Also, Frau Sauber, der AMH sollte in Ihrem Alter mindestens bei 1 liegen. Noch besser etwas höher.  Aber Ihr Wert ist so schlecht, das liegt außerhalb meines Kompetenzbereiches.  Ab hier bin ich nicht mehr für Sie zuständig. Ich werde Ihnen jetzt eine Überweisung in die Kinderwunsch Klinik schreiben. Die müssen jetzt schauen, ob man Ihnen überhaupt noch helfen kann.“

Mit diesen Worten beendete Sie das Gespräch und unser bisheriges Leben.
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