Eine neue Hoffnung

…und ein altes Problem.

Am ersten Tag meines neuen Zyklus rief ich, wie mir geheißen, in der Kinderwunschklinik an und vereinbarte den ersten Kontrolltermin nach fünf endlos langen Monaten, von denen ich gedacht hatte, dass sie nie enden würden. 

An Zyklustag 3 war der erste Ultraschalltermin, die sogenannte Antralfollikelzählung, angesetzt und die Ärztin begrüßte mich mit den Worten: „Ja, Frau Sauber, sie waren ein bisschen schwanger. Mal sehen, was wir jetzt noch rausholen können…“

Ich kletterte auf den Untersuchungsstuhl und zu meiner grenzenlosen Erleichterung zeigte sich eine einzige kleine Follikelanlage auf dem Bildschirm. Wie ein kleiner Bleistiftpunkt sah sie aus.

„Ach, sieh mal an. Da ist ja einer“, sagte sie und ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. 

Die Ärztin verordnete mir ab dem fünften Zyklustag eine Stimulation der Eierstöcke mit Letrozol für fünf Tage – vorsichtshalber gleich mit 5 mg also der doppelten Dosis, anstatt der üblichen 2,5 mg. 

Man muss sich hier bewusst machen, dass ein einziger Follikel für eine Kinderwunschbehandlung, in der stimuliert wird, eine wirklich ziemlich magere Ausbeute ist. Genau genommen ist es echt mies. Aber hey…man muss nun mal mit dem arbeiten was man kriegt und mehr war bei mir einfach nicht zu holen. 

Die Ärztin schaute mich bei der Verabschiedung fast schon ein wenig mitleidvoll an, aber ich bemerkte es kaum. Ich schwebte regelrecht aus dem Untersuchungsraum. 

Dieses Ultraschallergebnis hatte mein Endorphin Level völlig gesprengt und ich konnte mein Glück kaum fassen. 

Im Foyer des Gebäudes angekommen bog ich sofort in der Apotheke ein und überreichte der Frau hinter der Theke mit strahlenden Augen mein Rezept. 

Die Apothekerin fragte mich pflichtbewusst, ob ich auch aufgeklärt worden war wie das Präparat einzunehmen sei. Ich nickte glücklich, griff nach der kleinen Tüte und verließ das Gebäude mit einem Gefühl als hätte ich in dieser Sekunde mein neues Leben betreten.

Ich hatte nur 5 Euro Rezeptgebühr bezahlen müssen aber ich hielt die kleine Apothekentüte fest, als beherbergte sie die Kronjuwelen. 

Ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl beschreiben soll, mit dem ich nach Hause gefahren bin. Alle Sorgen, alle Ängste und Verzweiflung der letzten Monate waren wie weggeblasen und wo ich mich kurz vorher noch wie eine Oma gefühlt hatte, empfand ich mich jetzt wieder wie eine attraktive junge Frau, die drauf und dran war in Kürze ein Baby zu bekommen. 

Was sollte jetzt noch schief gehen? Ich hatte einen Follikel und ich ein Medikament, dass meinen Eierstöcken Feuer unterm Hintern machen würde. Ich war sicher: in spätestens vier Wochen wär ich schwanger. 

Als ich zu Hause ankam und Aron freudig von der erfolgreichen Untersuchung berichtete, konnte ich deutlich erkennen, dass er gemischte Gefühle hatte. 

Einerseits freute er sich, dass scheinbar doch noch Hoffnung bestand. Andererseits verschaffte sich seine Angst, ich könnte jetzt doch sofort schwanger werden, wieder Gehör. Der arme Kerl war hin und hergerissen. Aber ich glaube, überwogen hat die Freude…

Keiner von uns beiden hatte zu diesem Zeitpunkt eine Ahnung oder auch nur die geringste Idee davon, dass das hier der Beginn einer endlosen Achterbahnfahrt werden sollte. 

„An Zyklustag fünf mit der Einnahme beginnen!“ hatte sie gesagt und als es endlich soweit war, war dieser Vorgang des Stimulationsbeginns viel schneller vorbei als ich es mir ausgemalt hatte. 
Ich meine, ich musste ja im Grunde genommen nur zwei Tabletten schlucken, aber irgendwie hatte ich das Ganze in meinem Kopf wesentlich romantischer und pompöser ablaufen sehen. 

Ich war fast ein bisschen enttäuscht, dass es wirklich nichts anderes als einfach nur Tabletten schlucken war. Packung auf, Tabletten raus, Wasser trinken, fertig. 
Fast war ich ein bisschen beleidigt und enttäuscht, dass dieser wichtige und alles entscheidende Prozess so banal war und es nicht so etwas wie Feuerwerk und Fanfaren gab. 

Sieben Tage später stand die erste Ultraschallkontrolle an um zu sehen wie mein Eierstock reagiert hatte und ob der Follikel zu wachsen begonnen hatte, aber leider war dem nicht so. 
Meine Gebärmutterschleimhaut hatte auch nur eine „Dicke“ – oder vielleicht sollte ich besser sagen „Dünne“ – von mickrigen 4mm. Die Untersuchung war ein Reinfall. 

Die Ärztin sagte, es sei zu erwarten gewesen, dass das nicht so gut laufen würde und wir sollten in fünf Tagen nochmal schauen, ob sich dann etwas getan hätte. 

Und, Gott sei Dank, hatte der Follikel bei der nächsten Untersuchung, an Zyklustag 17, eine Größe von 12 mm erreicht. Endlich passierte etwas! Mein Körper konnte es doch!! 

Was für ein Gefühl, Leute!!! 

Überglücklich fuhr ich nach Hause und hatte jetzt schon das Gefühl ein bisschen schwanger zu sein – rückblickend betrachtet kann man wahrscheinlich sagen, dass ich mich da an diesem Tag ein wenig reingesteigert habe.

Die sechs Tage bis zum nächsten Ultraschall zogen sich wie Kaugummi, aber das Warten lohnte sich. Der Follikel hatte jetzt 15 mm und sie sagte, dass wir wahrscheinlich beim nächsten Termin den Eisprung auslösen könnten. 

Bei der finalen Ultraschallkontrolle, drei Tage später, hatte mein Follikel eine Größe von 17 mm erreicht und sie sagte mir, dass ich den Eisprung am nächsten Morgen um 08 Uhr auslösen sollte. 

Ich war so so so glücklich. Mein Körper machte einen Eisprung!! Unglaublich!!

Wieder machte ich auf dem Weg nach draußen einen kurzen Abstecher in die Apotheke um meine Ovitrelle Spritze abzuholen und fuhr dann, halb platzend vor Glück, nach Hause. 

Heute müssten wir noch brav „unsere Hausaufgaben machen“ und dann übermorgen nochmal, hatte sie gesagt. Das sollte reichen. 

Jetzt würde alles gut werden. Es konnte nur klappen. Dass meine Gebärmutterschleimhaut zu diesem Zeitpunkt nur schlappe 6,4 mm aufgebaut und das Projekt Baby damit im Grunde schon zum Scheitern verurteilt war, ignorierte ich einfach weg. Bestimmt würde es trotzdem klappen.

Wir hatten alles richtig gemacht. Uns genau ans Protokoll gehalten. An diesem Abend hatten Aron und ich das erste Mal in unserem Leben Sex nach Plan. Wir fanden es beide extrem befremdlich, aber welche Wahl hatten wir?!? 

Bis heute haben wir uns nicht wirklich daran gewöhnt. Aber wenn man ein Baby haben möchte, dann springt man ins Bett, wenn der Arzt das Kreuz im Kalender macht…

Pünktlich um 08 Uhr am Freitagmorgen hatte ich die Spritze gesetzt, den Eisprung ausgelöst und am nächsten Tag hatten wir nochmal nachgelegt…

Dann ging es in die gefürchtete zwei-Wochen-Warte-Phase, an deren Ende das ernüchternde negative Ergebnis auf allen Schwangerschaftstests stand und uns dämmerte langsam, dass das hier kein Sprint war. 

Wir würden uns auf einen Marathon einstellen müssen. 
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