Eierstockverjüngung

mit dem Wundermittel PRP

Alles war nach Plan gelaufen. Und um Meinen FSH Wert weiter zu senken hatte ich während der Downregulation die letzten Wochen über drei Mal täglich einen ziemlich gut gehäuften Esslöffel Bio Weizengraspulver in je einem Glas Wasser aufgelöst – soweit man es tatsächlich aufgelöst nennen kann – und heruntergewürgt. 
Ich benutze das Wort „heruntergewürgt“ hier ganz bewusst, denn anders kann man es wirklich nicht bezeichnen. Es schmeckte scheußlich. Absolut widerlich. Und die erste Woche musste ich jedes Mal würgen und es kostete mich alles was ich an Körperbeherrschung hatte, dass es nicht wieder rauskam. Ich erspare Euch die Details…

Aber ich hatte in einigen Foren gelesen, dass besonders die Amerikanerinnen auf Weizengras schwören und ich wollte es unbedingt versuchen. 

Die letzten zwei Jahre hatte ich mich so ohnmächtig gefühlt…ja, sicher…ich hatte diese Hormonspritzen genommen und die unterschiedlichsten Nahrungsergänzungsmittel gefuttert als wären es Smarties gewesen, nur um wenigstens irgendwie mitzuarbeiten…da erschien es mir nur logisch diesen Weizengraszauber auch noch zu testen. 

Und tatsächlich wirkte dieses Zeug überraschenderweise extrem schnell extrem gut. Ich konnte es kaum glauben. Bei der letzten Blutuntersuchung hatte mein FSH noch irgendwo im Bereich von 70 und ein paar Krummen gelegen. 
Und jetzt, ungefähr zwei Wochen, 500 Gramm Weizengras und unzählige Würgereize später, lag der Wert nur noch bei 25.

Das war zwar für eine Stimulation nicht optimal aber hundert Mal besser als der katastrophale Wert vorher. 

Die Bahn war frei für den Stimulationsbeginn. Endlich. 

Doch erstaunlicherweise brauchte ich die hohe Dosis von ursprünglich 300 geplanten Einheiten überhaupt nicht, denn während der Downregulation hatte sich bereits ein Follikel gebildet, der ganz ohne Stimulation schon angefangen hatte zu wachsen. Mein Gynäkologe zog mir die Ultraschallbilder auf einen USB Stick und so konnte ich sie an die Klinik in Spanien schicken. 

Da der Follikel schon ohne hormonelle Hilfe von außen gut gewachsen war, beschloss unser Arzt in Spanien, dass wir – entgegen des ursprünglichen Plans – doch nur 100 Einheiten spritzen sollten. 

Es lief alles wie am Schnürchen.  Alle nötigen Untersuchungen und die Blutgruppenbestimmung, die wir für die geplante ICSI brauchten, konnten wir schon hier in Deutschland machen lassen, sodass wir uns diese zusätzlichen Kosten in Spanien sparen würden und die Stimulation lief nach Plan. Jackpot!

Unsere Abreise rückte immer näher und damit wuchs auch die Aufregung. Bis ich eines Tages ein fieses Stechen im rechten Eierstock spürte und bei der nächsten Ultraschallkontrolle zeigte sich eine gigantische Zyste, die sich scheinbar innerhalb weniger Tage gebildet hatte. Fast 4 cm war sie groß – eigentlich eine OP Indikation. 

„Frau Sauber…so würde ich Sie eigentlich ungern nach Spanien fliegen lassen…diese Zyste ist derart groß, dass es lebensgefährlich für Sie werden kann, wenn Sie mit diesem Ding fliegen“ Mein Gynäkologe legte die Stirn in Falten. Er war aufrichtig besorgt. 

Und mein Herz setzte einen Schlag aus. 

„Was?!? Wie meinen Sie das? Sagen Sie mir gerade, dass wir Spanien absagen müssen???“ Ich war nur eine Minute davon entfernt einen Schlaganfall zu bekommen. 

„Im schlimmsten Fall ja. Wir müssen diese Zyste irgendwie wegbekommen, sonst können Sie nicht fliegen. Sehen Sie, dieses Ding müssen Sie sich vorstellen, wie einen riesen Luftballon, der an einer Schnur befestigt ist, denn solche Zysten sind an Blutgefäße angeschlossen. Durch den Druck und die Bewegungen des Flugzeugs – vereinfacht gesagt – kann es passieren, dass dieser Ballon anfängt sich um seine eigene Achse zu drehen wie eine Ballerina, die Pirouetten dreht. 
Wenn das passiert können die Blutgefäße abgeklemmt oder im schlimmsten Fall durchtrennt werden. Wenn Sie in so einem Moment in der Luft und nicht in einem Krankenhaus sind, brauchen Sie sich über Ihren Kinderwunsch keine Gedanken mehr zu machen, dann haben sie nämlich ganz andere Sorgen. Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden. Sie sehen also…die Zyste muss entweder weg oder Sie verschieben den Eingriff. Das wäre mir eigentlich am liebsten.“

Mir wurde heiß und kalt. Und diesmal waren es keine Hitzewallungen. Ich spürte wie Panik in mir aufstieg und heiße Tränen in meinen Augen brannten. 

„Ich kann doch den Eingriff nicht verschieben. Was machen wir denn jetzt? Wie bekommen wir diese Zyste weg??“ 

Er wirkte etwas ratlos…

„Das Ding hat fast vier Zentimeter. Das muss eigentlich operiert werden. Sprechen Sie mit Spanien. Fragen Sie die, was sie vorschlagen. Wir setzen das dann hier um…“

Wie paralysiert lief ich zu meinem Auto und noch bevor mein Telefon Zeit gehabt hatte, sich mit der Freisprechanlage zu verbinden rief ich unsere Patientenbetreuerin in Spanien an. 

In ihrer gewohnt freundlichen Art begrüßte Sie mich. „Ja, hallo Julia…wie siehts aus? Wächst der Follikel gut?“ flötete sie fröhlich ins Telefon.

„Ja, schon. Aber leider wächst auch eine Zyste…“ brachte ich schwach hervor und hatte Mühe die Tränen zu unterdrücken, die schon wieder anfingen in meinen Augen zu brennen. Mit letzter Kraft konnte ich verhindern, dass meine Stimme wegbrach. 

„Oh! Das ist aber schlecht…wie groß ist die Zyste denn?“

Ich erklärte ihr alles, was mein Arzt gesagt hatte und sie versuchte rasch mich zu beruhigen…
„Das ist erst mal kein Weltuntergang. Schick mir mal die Bilder und ich gebe das dann alles an den Arzt weiter und melde mich dann mit seiner Anweisung nochmal.“

Ihre Rückmeldung kam schnell. 

„Also…ja, normalerweise würde man eine Zyste dieser Größe operieren. Da Du aber ohnehin schon eine so geringe Ovarialreserve hast, kann man das in Deinem Fall nicht machen, weil man bei einem solchen Eingriff immer auch ein bisschen Ovarialgewebe mit entfernt. Bei Dir wäre das eine Katastrophe. Wir haben noch zwölf Tage bis Ihr hier anreisen sollt. Deswegen versuchen wir jetzt 10 Tage lang die Zyste mit Hormonen zu behandeln und hoffen, dass sie sich dann zurückbildet. Ich schicke Dir jetzt ein Rezept per Mail. Bitte löse das heute noch ein und fang sofort mit der Einnahme an. 
Nach 10 Tagen machst du bitte nochmal einen Ultraschall und meldest dich dann sofort. Erst dann können wir entscheiden ob der Eingriff wie geplant stattfinden kann.“

Ich war fix und fertig. Meine Panik war mit Sicherheit nicht mehr im messbaren Bereich. 
Wir waren soweit gekommen und nun drohte das alles zu platzen. Wir hatten alles so genau geplant.  Alles bis ins kleinste Detail abgestimmt und vorbereitet. 

Ich hatte ab 03. August drei Wochen Urlaub genommen, den ich aufgrund der Urlaubsplanung in meinem Team auf der Arbeit auch nicht mehr verschieben konnte. 
Wenn das jetzt schief ging, konnten wir frühestens Ende November nochmal einen Trip nach Spanien anpeilen und in dieser Zeit würden meine Wechseljahre immer weiter fortschreiten. Ich stand kurz vor einer Panikattacke.

Die zehn Tage bis zum nächsten Ultraschall zogen sich wie Kaugummi. Ich war unsagbar angespannt. Aron ging meine Sicherheit über alles und er bekniete mich immer wieder kein Risiko einzugehen und den Termin einfach auf Ende des Jahres zu verschieben, aber ich konnte nicht. 
Ich brachte es einfach nicht fertig weitere vier Monate einfach wegzuschmeißen. Ich häufte die Weizengras Esslöffel jedes Mal noch ein klein wenig mehr, damit meine FSH Ausschüttung sich im Rahmen hielt und schickte jeden Tag flehentliche Bitten ans Universum, dass die Zyste sich in Luft auflösen möge. 

Als die zehn Tage endlich vorbei waren und ich auf der Liege im Untersuchungszimmer lag war ich so nervös wie noch nie vorher. 
„So, Frau Sauber, dann wollen wir mal…ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, sag ich Ihnen…“

Das bin ich auch. Kannste mir glauben…

„Na, das sieht doch gut aus…“. Seine Stimme klang überrascht und zuversichtlich. 

„Heißt das die Zyste ist weg?“ ich traute mich überhaupt nicht daran zu glauben.

„Ja. Vollständig verschwunden“ sagte er zufrieden und in seiner Stimme war ein Lächeln zu hören. Aber auch Verwunderung, dass es wirklich funktioniert hatte.

„Was ist mit meinem Follikel??? Ist der auch weg???“ Mein Herz hatte für einen Moment aufgehört zu schlagen und ich hörte das Blut durch meine Ohren rauschen…

„Nein, der ist noch da und er hat eine super Größe. In ein paar Tagen wird der soweit sein. Und auf der rechten Seite haben Sie sogar noch einen dazu bekommen. Der sieht allerdings nicht so schön aus. Ich glaub, der ist nix…aber Spanien steht jedenfalls nichts mehr im Wege. Sie könne übermorgen fliegen.“

Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich war. Diesmal waren es Tränen der Freude…

„Ich muss ja sagen, Frau Sauber…ich hab nicht dran geglaubt. Zehn Tage war schon verdammt wenig Zeit. Das war ne richtig knappe Geschichte.“ 

Ich hörte ihn kaum noch. Ich nahm nur meinen Herzschlag wahr wie er laut gegen meine Brust hämmerte und das unglaubliche Gefühl von „natürlich high sein“. 

Ich schickte die neuen Bilder sofort nach Spanien und auch unser Arzt in Alicante gab uns Grünes Licht. 

Endlich rückte unser Ziel in greifbare Nähe. Nur noch zwei Tage und wir würden unserem Wunschbaby ein so großes Stück näher kommen. So nah hatten wir unseren Kinderwunsch noch nie greifen können. 

Und dann war es endlich soweit. Für unsere beiden Katzen würde eine Freundin zweimal täglich nach dem Rechten sehen und Ralfi würde die Zeit bei meinem Papa verbringen. Ich hatte ihn am Vorabend schon dorthin gebracht. Der Abschied war mir unbeschreiblich schwergefallen. Jedes Mal wenn ich ihn verlasse - egal ob ich zur Arbeit gehe, oder ihn wo anders nicht hin mitnehmen kann - bricht mein Herz aufs Neue...

Und dann saßen wir im Flieger nach Alicante. Es fühlte sich so unwirklich an. Und wir waren so so so müde. 
Denn um Geld zu sparen hatten wir einen Flug mit Zwischenstopp in Zürich gewählt. 11 Stunden hatten wir nachts am Flughafen warten müssen und ich hatte kein Auge zugemacht. Nicht vor Nervosität, sondern weil das Licht so grell, die Halle so laut und die Stühle so unbequem gewesen waren. 
Aber als wir endlich im Flieger nach Alicante saßen war ich eingeschlafen noch bevor wir die tatsächliche Flughöhe erreicht hatten. 

Die Klinik hatte uns einen Chauffeur geschickt, der uns am Flughafen abholte und ans Hotel brachte. Ich rief, wie mit unserer Patientenbetreuerin abgesprochen, an und teilte ihr mit, dass wir gut gelandet und im Hotel angekommen waren. Wir sollten sofort vorbeikommen. 

Das Hotel lag nur 1.3 Kilometer von der Klinik entfernt also konnten wir bequem dorthin laufen. Wir waren so verzaubert von Alicantes Schönheit und der Freundlichkeit der Menschen. 
Als wir an der Klinik ankamen erkannte ich das Gebäude von den Bildern, die ich auf Google gesehen hatte. 

Aber als wir die Klinik betraten hatten wir mehr das Gefühl in einem Spa zu sein als in einer Klinik…

Angenehm klimatisierte Räume. Überall hübsche und stilvolle Deko Elemente, Lautsprecher aus denen leise entspannende Mediationsmusik klang; ätherische Öle verbreiteten einen angenehmen Raumduft und wunderschöne Holzböden gaben dem Ganzen einen sehr edlen Look. 

Man spürte deutlich, dass die oberste Regel war, dass der Patient sich wohl fühlen soll. 

Kaum dort angekommen wurden mir sofort 12 Röhrchen Blut abgenommen, aus denen sofort mein PRP Serum hergestellt wurde. 
Dann ein weiteres Röhrchen von Aron und mir zum Test auf Infektionskrankheiten – Routine vor einer ICSI.

Danach ging es zum Ultraschall und wir trafen zum ersten Mal unseren Arzt in Echt. Er war unfassbar freundlich. Im Video Call war er schon so lieb gewesen, aber jetzt, da wir vor ihm saßen und in sein liebevolles Gesicht schauen konnten, war er einfach nur zauberhaft. 

Er gab uns das Gefühl, dass es ihm wirklich wichtig und ein Anliegen war uns zu einem Baby zu verhelfen. Als ginge es um seinen eigenen Kinderwunsch hängte er sich rein und gab uns das Gefühl, dass wir drei ein starkes Team bildeten. Eine richtig coole, kleine, neue Einheit, die unserer Kinderlosigkeit den Kampf angesagt hatte. 

Dieses Gefühl kannten wir aus unserer alten Klinik nicht. Dort hatten wir immer das Gefühl gehabt lästig zu sein und die Ärzte mit unserem illusorischen Wunsch nach einem eignen Baby zu belästigen. 

Was für eine wunderschöne Abwechslung. 

Und dann kam der Moment der Wahrheit. Es war Zeit für den Ultraschall. 

Aufgeregt krabbelte ich auf die Liege und Aron stellte sich nervös neben den Arzt. Die Sekunden bis er endlich etwas sagte fühlten sich wie eine halbe Ewigkeit an. 

„Ja. Da ist ein wunderschöner Follikel auf der linken Seite. 19 mm. Perfekt.“ Er strahlte richtig. 

„Auf der anderen Seite ist auch einer, aber der sieht nicht so schön aus. Ich glaub, da wird nichts drin sein…aber auf der anderen Seite, Julia…ich glaube, da haben wir das Goldene Ei…“ 

Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte…

„Was? Wirklich? Denkst Du? Wie stehen die Chancen, dass da wirklich ein Ei drin ist? Realistisch!?“

„Ich würde sagen, mindestens 80 %. Ich werde den anderen Follikel auch punktieren und schauen ob nicht doch was drin ist. Weißt Du…manchmal erlebt man eine Überraschung…Aber ich setze alle Hoffnung auf den linken Follikel. Der ist wirklich wunderbar.“

Ich zog mich wieder an und wir setzten uns nochmal an seinem Schreibtisch zusammen, damit er uns den genauen Ablauf nochmal schildern konnte. 

Ich hatte trotz der Hormone, die ich wegen der Zyste genommen hatte, noch keine Abbruchblutung bekommen und geplant war, sollte sich ein Embryo entwickeln, ihn direkt wieder einzusetzen. 
Es war Freitag und er wollte mich am Montag nochmal zur Kontrolle sehen. Bis dahin sollte ich weiter meine 100 Einheiten Gonal F spritzen, doch ab jetzt sollte ich auch zusätzlich Orgalutran spritzen um zu verhindern, dass der Follikel schon vor dem Punktionstag von alleine springen würde. 

Mit einem Rezept und überglücklich verließen wir die Klinik und schlenderten zurück zum Hotel. Wir hatten einen Bärenhunger, gönnten uns daher im Hotelrestaurant eine Stärkung und konnten es kaum erwarten im Anschluss zum Strand zu gehen. Es waren nur dreihundert Meter bis zum Strand. 

Alles war perfekt. Wir waren unendlich glücklich und fühlten uns als wie die Protagonisten in einer mexikanischen Telenovela oder - um bei Arons Wurzeln zu bleiben - einem Bollywood Film ^^. 
Aber als wir am frühen Abend zurück zum Hotel kamen, stellte ich erschrocken fest, dass die Blutung nun doch noch eingesetzt hatte. 

Panisch rief ich unsere Patientenbetreuerin an, die sofort Rücksprache mit dem Arzt hielt. Sie beruhigte mich aber dann uns sagte, dass es bei unserem Kontrolltermin am Montag bleiben würde und sich jetzt ohnehin nichts mehr ändern würde, egal ob wir morgen nochmal kämen oder nicht…

Und so zeigte sich im Ultraschall am Montag, dass die Schleimhaut tatsächlich komplett abgeblutet und somit ein Frischtransfer ausgeschlossen war. Der Follikel war aber nach wie vor da und so konnte wenigstens die Punktion, wie geplant, am Mittwochmorgen stattfinden. 

Pünktlich um 8 Uhr waren wir in der Klinik und ich war unfassbar nervös. Der Vorbereitungsraum war hübsch eingerichtet und die Schwester, die meinen Zugang legte war ganz zauberhaft zu uns. 
Dann kam der Arzt, bereits im OP Dress und mit Kopfhaube, hörte nochmal nach dem Rechten und nahm mich dann mit in den OP. 

Dann ging alles sehr schnell. Ich habe im OP nur noch wenige Minuten mitbekommen und als ich im selben Raum, in dem ich von unserem Arzt abgeholt worden war, wieder zu mir kam, saß Aron noch immer da und wartete auf mich. 

Ich war noch etwas benommen als der Arzt zu uns herein kam, liebevoll eine Hand auf mein Handgelenk legte und mich anlächelte: „Ich hab Dir doch gesagt, ich hole Dir das Goldene Ei :) !“ 

„Was?“ frachte ich ungläubig. „Wir haben eine Eizelle bekommen? Ist das wirklich wahr?“

„Ja“ sagte er zufrieden. „Wir haben eine wunderschöne Eizelle bekommen. Sie ist jetzt im Labor. Die PRP hat auch problemlos funktioniert. Und das bedeutet für dich…“ er drehte sich zu Aron um: „Dass Du jetzt dran bist ;-)“ 

Ich brach in Tränen aus. Ich konnte es nicht aufhalten. Ich war so glücklich, dass die Tränen nur so flossen. Und da wurde Aron auch schon abgeholt und in den Sperma-Gewinnungsraum gebracht. Ein Erlebnis, an das er nicht gerne zurück denkt. 

Ich glaube, dass ich nochmal kurz eingenickt bin und dann irgendwann nochmal von der Schwester geweckt wurde, als Sie mir ein Frühstück brachte. Kurze Zeit später kam Aron zurück und als ich wieder halbwegs bei Sinnen und Kräften war, rief die Klinik uns ein Taxi. 
Auch wenn das Hotel nicht weit weg war, sollte ich noch nicht laufen, schon gar nicht in der Hitze. 

Für die nächsten Tage war baden im Meer oder Pool tabu und dafür war Ruhe total angesagt – und vor allem warten. Denn jetzt ging es um Alles. War die Eizelle reif? Würde sie sich befruchten lassen? 

Die nächsten Stunden und Tage würden hart werden…

Aber an diesem Abend kam eine E-Mail aus dem Labor in der uns mitgeteilt wurde, dass unsere Eizelle reif war und man sie mittels einer ICSI befruchtet hatte. Die nächsten Stunden würden jetzt zeigen ob die Befruchtung erfolgreich war und wir würden am nächsten Tag darüber informiert werden. 

Und wieder Tränen der Freude. Aron machte sich fast ein bisschen lustig darüber…“Und da geht’s wieder los, das kleine Wasserwerk…“ grinste er mich an. 

Ich nahm es ihm nicht übel. Ich bin ohnehin nah am Wasser gebaut. Ich bin eben sehr emotional. Und wenn das kein Grund für Freudentränen war, was dann?!?

Den Tag gestalteten wir uns ruhig und entspannt im Hotelbett mit Netflix und als ich am nächsten Morgen aufwachte überprüfte ich sofort meine Emails. Doch es war noch keine neue Nachricht vom Labor gekommen. 

Wir machten uns also fertig um zum Frühstück zu gehen und etwa alle 3 Minuten aktualisierte ich mein Email Postfach. 

Wir waren gerade zurück vom Frühstück und in unserem Zimmer angekommen als endlich die Email vom Labor kam: 

„Dear Mrs. Sauber and Mr. Schneider,

We are writing to inform you that yesterday we got 1 egg. It was mature and today successfully fertilized. 

We will keep you daily informed about your embryo´s development.”

“Schatz!!!! Das Ei hat sich befruchten lassen!!! Wir haben einen Embryo!!!!“ Ich schrie ihn fast an. Mein Herz raste und – natürlich – fing ich sofort an zu heulen^^

Aron versuchte cool zu bleiben, aber ich konnte ihm deutlich ansehen, dass er sich wahnsinnig freute.
Voller Aufregung rief ich zu Hause an und teilte die gute Nachricht meinem Papa und seiner Freundin mit. Sie waren außer sich vor Freude. 

Als ich allen wichtigen Menschen in meinem Leben davon erzählt hatte, ging mir auf, dass jetzt der wirklich harte Part erst anfing: Warten auf die Embryoentwicklung. Würde unser Krümel sich gesund entwickeln???

Mir wurde bewusst, dass das Warten, das wir bisher im Kinderwunsch erlebt hatten und von dem ich geglaubt hatte, dass DER Horrortrip schlechthin war, ein Spaziergang gewesen war im Vergleich damit auf eine Nachricht aus dem Labor zu warten, wenn man wissen will, ob die aktuell einzige Chance auf ein eigenes Baby selber überhaupt eine Chance hatte…

Die Stunden kamen mir vor wie Wochen und als am nächsten Vormittag die Email aus dem Labor kam brach meine Welt für einen Moment ein kleines bisschen in sich zusammen. 

„Dear Mrs. Sauber and Mr. Schneider,

we are writing to inform you that today your embryo is dividing, not being considered good quality because today it has 6 cells and we would expect 4-5 cells on day 2. The development is a bit fast. Embryos that don´t have a good quality have a lower chance of becoming blastocysts, but we have to wait until day 5 to know for sure what will happen. 

We will update you tomorrow.”

Es war knalleheiß draußen. Gute 35 Grad hatte es, aber mir lief es eiskalt den Rücken runter. 

„Schatz! Das Labor hat gerade geschrieben! Unser Embryo hat keine gute Qualität!“

Ich bin bis heute nicht sicher, ob Aron geschockt oder tatsächlich ruhig war. 

„Wieso? Was schreiben Sie denn?“ fragte er monoton.

„Sie sagen, dass unser Embryo sich zu schnell entwickelt. Er dürfte heute 4-5 Zellen haben, hat aber schon 6 und sie sagen, das wäre zu schnell und nicht gut, und dass Embryonen von schlecher Qualität eine geringere Chance haben zu Blastozysten zu werden. 
Sie wollen den Embryo jetzt beobachten und schauen, ob sich die Entwicklung normalisiert. 
Ich verstehe das nicht. Warum ist eine schnelle Entwicklung schlecht???“ fragte ich ihn völlig verzweifelt und hatte, während ich erzählte, schon den Laptop hochgefahren und Google geöffnet…

Aron konnte mir meine Frage selbstverständlich nicht beantworten. Woher hätte er das auch wissen sollen?!?

Ich begann zu googlen wie eine Irre und natürlich wurde ich fündig. Meine Recherchen ergaben, dass es Studien gab, die Rückschlüsse von einer der Trisomieformen auf eine zu schnelle Entwicklung im frühen Embryonalstadium zuließen. 
Und als wäre diese Information alleine nicht schlimm genug hieß es dort auch noch, dass es egal wäre welche der Trisomien man betrachtete. Es könnte jede Form dabei betroffen sein. 

Ich war wie schockgefrostet. Ich bekam Panik. Und ich wurde irgendwie sauer, denn Aron war immer noch die Ruhe selbst. 

„Jetzt mach dich doch mal nicht so verrückt. Sie sagen doch, es kann sich noch normalisieren. Das wird mit Sicherheit passieren. Ich mach mir da keine Sorgen“ säuselte er meditativ. 

Ich konnte es kaum glauben. Wie sollte ich mich entspannen? Ich hatte jetzt schon mütterliche Gefühle gegenüber diesem Embryo und möglicherweise war er behindert…Das würden unendlich lange Stunden werden bis zum nächsten Tag. 

Um 11 Uhr vormittags kam endlich die lang ersehnte E-Mail aus dem Labor. 

“Dear Mrs. Sauber and Mr. Schneider, 

we would like to inform you that today we could freeze your embryo on day 3 of its development.  As you know this means there is 1 embryo cryopreserved in total.

Attached you will find a report about your cycle which you can open by entering Mrs. Sauber’s Clinical history number. You will receive a picture of the transferred embryo on the day of your transfer. 

From now on your personal assistant will resume all the communication with you but if you have any questions in the meanwhile for the IVF laboratory, please don’t hesitate to contact us.“

Ich öffnete den beigefügten Bericht und da stand die Qualität des Embryos: 9 Zellen 2. Grad. 

Darunter fand sich eine Erklärung, aus der hervor ging, dass unser Embry also 9 Zellen an Tag 3 hatte und dass der Grad eine Auskunft über die Fragmentation gab. 1 Wäre überhaupt keine Fragmentation, also eine fantastische Qualität und 5 wäre ein Embryo mit mehr als 50% Fragmentation, also eine miserable Qulalität. 

Im Grunde stand da ja alles, was wir wissen mussten, trotzdem konnte ich nicht anders. Ich musste es nochmal ausdrücklich vom Labor hören, also schrieb ich eine E-Mail ans Labor und vergewisserte mich, dass unser Embryo eine gute Qualität hatte. 

Und ja, die hatte er tatsächlich. 8-10 Zellen dürfte er an Tag 3 haben und lag mit seinen 9 Zellen somit im ganz gesunden Mittelfeld. Alles hatte sich normalisiert und die Fragmentation des Embryos war nur geringgradig. Mir wurde versichert, dass der Embryo auch nach Auftauen noch eine hohe und sehr gute Einnistungschance hatte. 

Aron überraschte diese Information überhaupt nicht. Er hatte fest mit diesem Ergebnis gerechnet. Aber mir fiel ein riesen Stein vom Herzen. 

Wir hatten einen Embryo aus meiner eigenen Eizelle bekommen - wovon uns in unserer alten Klinik immer gesagt worden war, dass es unmöglich sei. Und er hatte eine so gute Qualität, dass er eingefroren werden konnte. Ich vergoss die letzten Freudentränen für diesen Trip und wir beschlossen, dass wir unseren kleinen Schneemann Olaf nennen wollten. Zum einen weil ich es irre passend fand und zum anderen weil ich ein riesen Disney Fan bin – Freak trifft es eigentlich eher…^^

Eigentlich ging es mehr um Disney als um darum, dass wir den Namen Olaf so wahnsinnig schön fanden. 

Jetzt konnten wir die letzten Tage in Spanien endlich völlig genießen und mit meinen neuen Eierstöcken im Gepäck flogen wir in der folgenden Woche wieder nach Hause. 



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