Nachdem unser erster Stimulationszyklus gezeigt hatte, dass meine Eierstöcke, wider erwarten, reagierten, hatte die Ärztin für den folgenden Zyklus beschlossen, dass wir uns nun an die Stimulation mit Gonadotropinen herantrauen würden.
Für diejenigen, die nicht wissen, was Gonadotropine sind, hier eine kleine Erklärung: Das ist eine spezielle Gruppe von Hormonen, die im Hypophysevorderlappen gebildet werden und sich auf das Wachstum in den Keimdrüsen (Eierstöcke bzw. Hoden, also Follikel bzw. Spermien) auswirken, sodass Follikel und Spermien heranreifen.
Die Wahl fiel auf Gonal f und ich sollte vom vierten bis zum elften Zyklustag jeweils 75 I.E. unter die Haut am Bauch spritzen.
75 Einheiten sind eine wirklich sehr geringe Dosis und mir kam das von Anfang an zu wenig vor. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich Ahnung oder Erfahrung, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass das nicht reichen würde.
Ich sprach die Ärztin darauf an und sie sagte mir, dass eine höhere Dosierung bei meinen Hormonwerten ins Leere laufen würde. Mein FSH Wert wäre so hoch, dass eine Stimulation ohnehin kritisch wäre und da wir hier pures FSH spritzen würden, wäre es sinnlos noch mehr zu nehmen. Entweder man würde so niedrig stimulieren oder gar nicht. Um es für nichts und wieder nichts höher zu dosieren sei das Medikament einfach zu teuer.
Natürlich war es teuer. 500 Euro kostet eine Spritze mit 900 I.E., aber mein Bauchgefühl verschaffte sich lauthals Gehör und schrie mich an, dass eben gerade die geringere Dosis Geld zum Fenster raus wäre und nicht andersrum…
…und ich sollte recht behalten.
Der Zyklus lief völlig ins Leere. Meine Eierstöcke reagierten Null auf die Stimulation und ich wurde wieder auf die verhasste Hormonersatztherapie gesetzt.
Die Ärzte sagten, dass sie so wieder versuchen würden, meine Hormone runter zu regulieren um dann nochmal eine neue Stimulation zu versuchen.
Viele Gynäkologen machen das so. Sie verschreiben über Monate die Pille – oder wie in meinem Fall Cyclo Progynova – um den FSH Wert nochmal zu senken und dann erneut zu stimulieren.
Damals habe ich das Ganze natürlich kommentarlos mitgemacht, weil ich erstens keine Ahnung hatte und zweitens den Ärzten nicht das Gefühl geben wollte als würde ich denken, dass sie nicht wissen was sie tun.
Heute weiß ich, dass diese Art der Therapie nichts anderes als Kosmetik der Daten ist und, dass es auf andere Dinge ankommt als nur auf die Laborwerte. Aber dieses Wissen hat mich Monate, ja Jahre an Erfahrung, Recherchen und Gesprächen mit anderen Reproduktionsmedizinern (die deutlich weiter über den Tellerrand blicken) gekostet.
Mit dem Start der neuen Pillenpackung – mitten im Zyklus übrigens – läutete ich gleichzeitig auch eine Endlosschleife von Wechseln zwischen gescheiterten Stimulationszyklen in niedriger Dosis und der Einnahme von Hormonersatztherapien ein. Es war das reinste Desaster.
Einstein hat gesagt: „Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Ein schlauer Mann, dieser Einstein.
Ich habe nie verstanden, warum auf einen erfolglosen Stimulationszyklus wieder die gleiche Vorgehensweise von der Klinik gewählt wurde. Es war ein ständiges Hin und Her zwischen Pillen und 75 I.E. Gonal f, von dem ich das Gefühl hatte, dass es mir die Zeit durch die Finger rinnen ließ.
Bis ich schließlich wieder ein Stechen im Eierstock wahrnahm und deswegen nochmal zum Ultraschall in die Klinik fuhr. Ich nahm zu diesem Zeitpunkt noch Cyclo Progynova ein und auf dem Bildschirm zeigte sich eine deutliche Follikelanlage.
Die Ärztin sagte mir nicht, dass ich die Tabletten absetzen sollte, sie gab mir auch kein neues Rezept für Spritzen mit. Sie sagte nur, ich sollte in einer Woche nochmal zum Ultraschall kommen, was ich auch tat.
Es war der 11. Zyklustag und mein Follikel maß schon 9 mm. Die Schleimhaut war bei 6,2 mm aufgebaut und ich war so glücklich und erleichtert, dass es endlich nochmal voran ging.
„Soll ich dann jetzt das Cyclo Progynova absetzten?“ fragte ich die Ärztin voller Hoffnung, weil es mich doch etwas irritierte, dass ich dazu noch keine Aussage bekommen hatte und ich wollte den Follikel nicht gefährden.
Die Ärztin hatte gerade etwas in meiner Patientenakte notiert und fuhr schockiert zu mir herum. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an: „Wie das Cyclo Progynova absetzen??? Warum zum Geier nehmen Sie das noch?!?“
Jetzt war ich verwirrt. „Na, weil mir niemand gesagt hat, dass ich es absetzen soll.“
Meine Antwort schien sie zu verärgern und das ließ sie mich deutlich spüren. „Ja, was meinen Sie denn, was wir hier machen, Madam? Weshalb kontrollieren wir denn Ihren Zyklus, wenn Sie Ihre Alleingänge machen und nur tun, was sie wollen?“
Zu sagen, ich wäre schockiert über ihre Reaktion gewesen wäre eine maßlose Untertreibung. Ich war völlig sprachlos. Ich war die letzte, die unbedingt diese Pillen nehmen wollte.
„Sie setzen die Tabletten jetzt sofort ab und dann tun Sie in Zukunft, was wir Ihnen sagen, sonst können wir das Ganze hier auch lassen!“
Wie ein geprügelter Hund verließ ich die Klinik – fassungslos über die Behandlung, die mir gerade zu teil geworden war. Weinend stieg ich ins Auto und fuhr nach Hause - betend, dass ich bei der nächsten Kontrolle einen anderen Arzt zugewiesen bekäme.
Als ich vier Tage später wieder im Behandlungszimmer auf den Arzt wartete, wurden meine Gebete erhört. Eine andere Ärztin würde mich an diesem Tag untersuchen.
Mein Follikel war auf 12 mm angewachsen, die Schleimhaut war bei 6,4 mm aufgebaut. Es sah alles gut aus und sie bereitete mich darauf vor, dass wir in der kommenden Woche den Eisprung auslösen würden.
Aber leider kam es anders. Weitere vier Tage später hatte sich mein Follikel scheinbar in Luft aufgelöst. Mein FSH war wieder gestiegen und so wurde ich nochmal, mitten im Zyklus, auf Cyclo Progynova gesetzt. Für weitere zwei Monate.
Es wollte einfach nicht enden. Ich sah keinen Hoffnungsschimmer mehr. Ich fühlte mich gefangen in meinem Körper und in meiner Klinik. Ich wusste, dass ich andere Ärzte brauchte, aber ich wollte den Klinikchef nicht vor den Kopf stoßen. Nicht nach all den Jahren, die wir uns kannten. Und vor allen Dingen hatte ich auch überhaupt nicht die Kraft dazu.
Langsam gesellte sich zu unserem Kinderwunsch noch ein anderes Problem. Eines, für das ich einen ganz anderen Arzt brauchte…